Zwischen Hof und Weltcupzirkus
Der Kastelruther FLORIAN SCHIEDER ist in Südtirol und im weltweiten Skizirkus längst kein Unbekannter mehr. 2023 und 2024 wurde er bei der Abfahrt in Kitzbühel sensationell zweimal zweiter. Außerhalb der Skisaison hilft er Vater Karl auf dem elterlichen Prosslinerhof, der seine Milch seit einigen Jahren an den Milchhof Brixen liefert. Florian arbeitet aber auch beim Spatzenfest mit, ist Posaunist und Ausschussmitglied bei der Musikkapelle … kurzum: bodenständig und heimatverbunden.
Die Skiwelt schaute recht verdutzt an jenem 20. Januar 2023. Die Abfahrt auf der Streif in Kitzbühel schien entschieden, als Florian Schieder mit der Startnummer 43 ins Rennen ging und nach sensationellen Zwischenzeiten auf Platz zwei fuhr. Er habe die guten Licht- und Sichtverhältnisse optimal ausgenutzt, sagt der faire Sportsmann anschließend im Interview, aber dass das Ergebnis kein Glückstreffer war, stellte Florian ein Jahr später unter Beweis. Erneut war es die Abfahrt in Kitzbühel, als Schieder den bis dahin in Führung liegenden Marco Odermatt hinter sich ließ und auf dem Sessel des Führenden Platz nahm. Nur der Franzose Cyprien Sarrazin fuhr nachher noch schneller als Florian Schieder – um hauchdünne 5 Hundertstel Sekunden.
Das Ergebnis ist umso höher zu bewerten, wenn man weiß, dass Florian Schieder das Rennen mit einer Knieverletzung bestritt, die er sich kurz vorher in der Wengen-Abfahrt zugezogen hat und wegen der er die Saison einen Monat später auch vorzeitig beenden musste. Inzwischen ist alles wieder in Ordnung, und Florian bereitet sich bereits auf die kommende Saison vor.
Seit vier Generationen in Familienbesitz
Der „Brimi Kurier“ besuchte Florian Schieder und dessen Eltern Karl und Gertrud am Prosslinerhof in Kastelruth. Vater Karl erzählt uns etwas über den Hof, den sein Großvater (also
Florians Urgroßvater) 1930 gekauft hat. Der Großvater starb bereits früh im Alter von 45 Jahren, und ein Vormund hat über die Vermögensverhältnisse der zehn Kinder bestimmt. 1954 hat Karls Vater schließlich den Hof übernommen. Er war Viehhändler, und fing erst Anfang der 70er Jahre damit an, Milch zu liefern. Schon seit Mitte der 70er Jahre bietet der Prosslinerhof Urlaub am Bauernhof an. 1994 hat Karl den Hof übernommen und seither mehr oder weniger im Zehnjahresrhythmus umgebaut, renoviert und erweitert. Karl war Mitbegründer der Kastelruther Spatzen, ist aber nach der Übernahme des Hofes aus der Musikgruppe ausgestiegen. Seine Frau Gertrud führt nebenbei ein Caffè im Dorf. Zum Hof gehören 17 Hektar Grund, von denen rund 10 viermal im Jahr
gemäht werden. Weitere 15 Hektar Mähwiesen gibt es auf der Alm … „alles gut mit Maschinen zu bearbeiten“. Im Stall stehen rund 20 Melkkühe und 20 Jungtiere. In der Regel sind alle Tiere im Sommer auf der Alm, „heuer sind sie ausnahmsweise am Hof geblieben, weil mir das Pendeln zum Melken zu aufwendig war“, sagt Karl. Wenn sich nächstes Jahr jemand findet, der ihm das abnehmen kann, will er das Vieh wieder auf die Alm bringen.
Der frühe Vogel …
Florian ist schon von Kind auf gerne und gut Ski gefahren, hat regelmäßig trainiert und die verschiedenen Rennserie bestritten. Das dabei erforderliche frühe Aufstehen, bereitete ihm nie Probleme: „Wir mussten ihn in der Früh nicht wecken, sondern meistens hat er uns geweckt“, lacht Karl. Da er die Stallarbeit verrichtete, hat Gertrud Florian meist zu den Kinder- und Jugendrennen begleitet.
Nach der Mittelschule hat Florian die Sportschule in Gröden probiert, sich nach einem Jahr aber für einen anderen Weg entschieden, nämlich die Spenglerlehre bei einem Unternehmer aus dem Dorf, der sich immer schon im hiesigen Sportclub engagiert hat und Florian von Anfang an auch die Freiräume zum Trainieren gegeben hat. Nach der abgeschlossenen Gesellenprü- fung ergriff Florian die Möglichkeit, der Carabinieri-Sportgruppe beizutreten, und er kann sich seither voll auf das Skifahren konzentrieren. Hoffentlich kann er in der bevorstehenden Saison wieder an die Erfolge der letzten beiden Jahre anknüpfen.